Ein Fremder wurde zum Freund
Politische Spannungen im Senegal. Überfälle, Plünderungen, Gewalt ist an der Tagesordnung.
Menschen müssen ihre Häuser verlassen, werden geschlagen und sogar getötet.
Ein Land im Aufruhr. Viele Menschen fliehen vor den Gräueltaten verschiedener Banden.
Augenmerk hierbei ist auf die Männer gerichtet.
Unter ihnen, Mamoudou Samba Niang.
Ein Textilladenbesitzer im südafrikanischen Mali.
Bei vielen Gesprächen berichtete er über Überfälle seines Geschäftes, Einbrüchen und Gewalt.
Als sich die Lage immer weiter zuspitzt, beschloss er, nicht nur seine Familie zu verlassen, sondern auch das Land.
Warum auch seine Familie?
Alle, die in Verbindung mit Männern gestanden sind, wurden von der Gewalt der Banden nicht verschont.
So viel die Entscheidung der Trennung sicherlich nicht leicht, aber es war die einzige Möglichkeit, seine Familie zu schützen.
Zunächst ging es mit mehreren seiner Freunde von Dialoube in Richtung Elfenbeinküste.
Bereits diese Flucht gestaltete sich als schwierig, da es nur zu Fuß möglich war.
Straßen wurden ebenso kontrolliert wie Häuser oder das Land.
Ein Marschieren war auch nur nachts möglich.
Weiter auf der Flucht ging es dann per Boot oder auch per Fuß in Richtung Türkei.
Etliche Tage und Wochen vergingen. Die Entfernung betrug ca. 10.000km
Das Schlimmste war in dieser Zeit: „die Gedanken an zuhause“
Zuhause, das waren seine Frau und seine drei Töchter. Das Vierte war bei seiner Flucht noch nicht geboren. Ebenso verließ er seine große Familie.
Von der Türkei ging es weiter nach Bulgarien. Weitere 1.000km.Anschließend nach Serbien.
Immer mit der Angst erwischt zu werden, wurden weitere Länder durchkreuzt.
Kroatien, Ungarn, Österreich bis zum Ankerzentrum in Nürnberg.
Eine kleine Sicherheit konnte Mamoudou erstmals hier erfahren werden.
Flüchtlinge wurden registriert und nach und nach auf weitere Zentren verteilt.
Mamoudou hatte bis dahin keinen bzw. wenig Kontakt zu seiner Familie.
Lange war nicht klar, ob es seiner Frau, seinen Kindern oder seiner restlichen Familie gut gehe.
Seine Gesundheit war aber auch seiner Familie unbekannt.
Mamoudou kam über die Planungsstelle nach München, Kieferngarten.
Es wurden von mal zu mal die Bedingungen für seinen Aufenthalt besser.
Aber gut waren sie immer noch nicht.
Die Zimmerbelegungen blieben nicht unter vier bis sechs Mann. An eine kleine Privatsphäre war nicht zu denken. Und immer noch die Ungewissheit über seine Familie.
Den Helfern in der Unterkunft war es zu verdanken, dass Mamoudou Kontakt zu seiner Familie, zu seiner Frau aufbauen konnte.
Telefonat und Sprachmitteilungen halfen, die größten Ängste und Sorgen etwas zu lindern.
Jedoch war die weitere Zukunft bis dahin ungewiss.
Seine Reise ging anschließend weiter.
Im niederbayerischen Weihenstephan wurden weitere 30 Tage verbracht, ehe es zum vorerst letzten „Stopp“ nach Ergolding ging.
Ein Mehrfamilienhaus in der Dahlienstraße war die nächste „Heimat“ von Mamoudou.
Aber auch hier gab es so weit keinen Luxus.
Und mit Luxus sind sicherlich keine goldenen Wasserhähne oder ein offener Kamin gemeint.
Nein, ein eigenes Zimmer, ein Bad für sich allein, ein Wohnzimmer wo man auch mal gemütlich auf der Couch liegen kann.
Leider gab es auch hier „Mehrbelegungen“. Zimmer wurden geteilt. Ebenso das Bad und die Küche.
In der weiteren Zeit gab es auch des Öfteren Probleme mit der Polizei. Die Gewalt beherrschte auch bald diese Unterkunft.
Für Mamoudou war klar: „ich muß hier weg!!“
Nach einigen Recherchen ergab sich für Mamoudou ein Zimmer in einem Mehrfamilienhaus in der Ergoldinger Weidenstraße.
Hier „musste“ er sich zwar eine Wohnung ebenfalls mit mehreren Personen teilen, aber das Zusammenleben war hier doch sehr erträglich.
Auch die Entfernung zu seiner Arbeitsstelle wurde verkürzt.
Im Ergoldinger Bauhof wurde er gleich zu Beginn seiner Beschäftigung sehr gut und kollegial aufgenommen.
Eine Arbeit, die Mamoudou sehr viel Spaß bereitete, und bei der ihn auch sehr viele Bürgerinnen und Bürger kennenlernten.
Durch seine Arbeitskollegen wurde Mamoudou auf die Feuerwehr Ergolding aufmerksam gemacht.
Die ersten Begegnungen zwischen ihm und der Feuerwehr liefen etwas „kühl“ ab. Beide Seiten wussten nicht so recht, wie man der anderen Seite begegnen soll bzw. musste.
Ader das Eis war nach wenigen Zusammenkünften gebrochen und der Aufnahme in die Gemeinschaft stand nichts mehr im Wege.
Da Mamoudou ja noch nichts über die Feuerwehrarbeit gelernt hatte, wurde ihm in vielen Übungen die Arbeit der Feuerwehr nähergebracht.
Sein Interesse war so groß, dass er sein Erlerntes schon bald in den ersten Einsätzen wiedergeben konnte.
Mamoudou war ein fester Bestandteil der aktiven Mannschaft. Viele Einsätze konnte er von nun an auf seinem Konto „verbuchen“.
In seinem Leben war er schon früh auf sich allein gestellt. Auch auf seiner Flucht und in seiner neuen Heimat.
Da aber Einiges nicht mehr alleine zu bewältigen war bzw. seine Sprache und sein Wissen hierfür nicht ausreichten, vertraute er sich zwei Personen an, die von nun an bürokratisches, wichtiges und familiäres zusammen mit ihm regelten oder aber in die richtigen Bahnen lenkten.
Einkäufe und finanzielles wurde genauso erledigt, wie die Aufnahme in deren Familie.
Ein großes Problem für Mamoudou war die Angst abgeschoben zu werden.
Viele seiner Freunde wurden in der Nacht aus ihren Zimmern oder Unterkünften geholt und durch die Exekutive an entsprechende Orte gebracht.
Dieses Vertrauen auf Sicherheit und Ruhe musste erst aufgebaut werden.
Mamoudou lebte sich nicht nur in seinem Umfeld wie Arbeit oder Feuerwehr immer besser ein, er besuchte auch Gebetsräume oder Freunde in nah und fern.
Eine Ausreise aus Deutschland war ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich.
Somit hatte er weiterhin nur „Fernkontakt“ zu seiner Familie.
Als ihn die Meldung erreichte, dass sein Bruder gestorben war, war er an einem weiteren Tiefpunkt in seinem Leben.
An der Beerdigung seines Familienmitgliedes konnte er leiden ebenfalls nicht teilnehmen.
Aber auch hier „fing ihn sein Umfeld auf.“
Die Zeit verging und der Wunsch nach „eigenen“ vier Wänden wurde immer größer.
Eine Wohnung muss nun her.
Auch hier halfen ihm „seine“ zwei Helfer.
Durch einen Tipp fand er in der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft für den Landkreis Landshut eine Wohnung am Anger.
Nachdem die ganzen Formalitäten erledigt waren, konnte er nach Jahren der Flucht, der Angst, der Hoffnung und des Ärgers nun endlich eine Wohnung „sein Eigen“ nennen.
Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer und ein Bad.
Zu seiner großen Freude schloss sich zu seiner Wohnung, welche sich im Erdgeschoss befand, ein sehr großer Garten an.
Auf hier half ihm seine Anstellung als Bauhofmitarbeiter. Rasenmähen und Heckenschneiden war ihm nicht fremd.
Nun begann sein Leben in Deutschland, wie er es immer sagte.
Seine bereits organisierten Deutschkurs trugen schön langsam Früchte. Neben einer Festanstellung durch die Gemeinde war sein Beruf nun ebenfalls „abgesichert“ bzw. „bestätigt“.
Eine „Betreuung“ durch seine zwei Helfer war nun nicht mehr von Nöten.
Nach langen Jahren war seine Duldung „umgewandelt“ worden und er konnte endlich ausreisen und seine Familie und Verwandten in seiner Heimat besuchen.
Die Wiedersehensfreude war wahnsinnig hoch. Auch sah er hier zum ersten Mal seine vierte Tochter. Bei seiner Flucht war sie noch nicht auf der Welt.
Die Zeit verging und nach viel zu kurzen Tagen musste Mamoudou wieder seine „Heimreise“ antreten.
Auch die Urlaubstage gingen dem Ende entgegen.
Zuhause angekommen starteten schon weitere Pläne für den nächsten Besuch.
Die Tage, Wochen und Monate vergingen und die nächste Reise stand wieder vor der Tür.
Ebenso im Mai 2025.
Wir, die Feuerwehr Ergolding, feierten unseren 150sten Geburtstag.
Mamoudou´s Plan war eigentlich, bei unserer Feier uns wieder mit voller Kraft zu unterstützen.
Jedoch machte ihm seine erneuten Reisepläne einen Strich durch die Rechnung.
Genau in diesen Feierwochen saß er wieder im Flugzeug Richtung Dialoube.
Zuhause unternahm er mit seiner Frau und einem weiteren Familienmitglied eine Fahrt nach Dakar.
Auf dem Nachhauseweg, am 12.05.2025, kam es zu einem schrecklichen Verkehrsunfall.
Mamoudou´s Frau und sein Familienmitglied wurden verletzt.
Mamoudou starb.
Diese Meldung verbreitete sich wie ein Lauffeuer in seinem Heimastland.
Uns erreichte die Meldung zu einem Zeitpunkt, der uns alle in Trauer versetzte, aber die Vorbereitungen zu unserem Fest in den letzten Zügen lagen.
Eine Schwierigkeit die von uns allen einigermaßen, wenn auch nur schwer ertragen werden konnte.
Unser Fest war Mamoudou´s ganze Freude. Im Vorfeld war er nicht nur stolz, sondern bedauerte es auch, uns, SEINER Feuerwehr, nicht helfen zu können.
Mamoudou war diese Tage all gegenwärtig. Am Festgottesdienst wurde neben einem Bild auch in einigen Ansprachen an ihn gedacht.
Vor Kurzem konnte ihm, nach all den Festivitäten und nach einiger Zeit des Trauerns, gedacht werden.
Seine Heimatgemeinde, der Markt Ergolding, ermöglichte den Bürgerinnen und Bürgern und uns Feuerwehrlern einen Ort der Erinnerung an unseren Freund.
Am Ergoldinger Friedhof entstand eine kleine „Ruhestätte“.
Mamoudou hat nun auch ein Grab am Ergoldinger Friedhof. Es gab hierzu eine kleine Andacht mit einer sehr großen Bürgerbeteiligung.
Ein herzliches Vergelt´s Gott an ALLE, die hier zu seiner Erinnerung beigetragen haben.
DANKE!
Danke auch an dich Mamoudou, Du warst ein feiner, netter Kerl und ein guter Freund.
Balendiam!
Ruhe in Frieden